Essen
Siechenkapelle
Siechenkapelle in Essen / kath.
offen
Dieses Kleinod steht etwas zurückgesetzt in der heutigen Fußgängerzone und Einkaufsstraße von Essen-Rüttenscheid - einst stand sie vor den Toren der Stadt für Leprakranke.
Als ich eintrete, überkommt mich sofort ein Gefühl von Dichte. Dieser kleine Raum ist gefüllt, wenn nur ein einziger Mensch anwesend ist.
Jetzt ist es eine Frau, die in der ersten Reihe voller Inbrunst betet, liest, sich bekreuzigt und dabei immer wieder zwischen knien, aufrecht knien und sitzen wechselt. Ihre Energie ist großartig, sie füllt den ganzen Raum und ist in keinem Moment unterbrochen.
Meine Musik ist eindeutig: Stille, nichts als Stille. Ich höre Stille, ich spiele Stille, ich bin Stille.
Irgendwann verlasse ich die Kapelle, in der die Energie der Frau weiterhin dominiert. Ich will später wiederkommen.
Da ist sie leer und sie wird für eine Zeit mein Raum. Ein Raum, der wie mein erweitertes Instrument wirkt: ich darf diesen Raum spielen! Diesen gesegneten Raum.
Ich darf alles spielen, voll gesanglich und auch zart, zurückhaltend. Schnell merke ich, dass der Raum etwas Faseriges, ja Zerfasertes will. Ich spiele collegno, also mit dem Bogenholz auf den Saiten statt mit den Haaren. Gebe noch percussive Schläge mit der linken Hand auf die unteren Saiten, sodass fast klirrendes Holz zu hören ist.
Es passt zu dieser eigenartigen Stele, in der ein Gekrönter seine Arme ausbreitet und sein metallenes Gerippe spürbar wird.
Ich bin allein. Die Kapelle gehört mir und ich gehöre der Kapelle.