Osnabrück
St. Marien
St. Marien, Osnabrück - ev.
offen
Die Kirchentür ist einladend weit geöffnet.
Ich trete in einen großen, hellen Saal, der meinem Kopf freien Raum gewährt. Alles ist aufrecht. Auch die in die Höhe gerichtete Gestalt der Orgel.
Das Rot des Gebänks gibt eine gemütliche Note dazu.
Als ich meinen Rundgang ansetze, spricht mich ein älterer Herr an, der hier die Aufsicht führt. Schnell kommen wir ins Gespräch und er findet meinen Ansatz, ungeplant in offene Kirchen zu gehen und zu spielen, unmittelbar gut. Als er erzählt, dass er Kinderarzt ist und ich ihm wiederum, dass es in meiner Familie viele Kinderärzt*innen gibt, u.a. mein Vater, sind wir schnell beim legendären Kinderärzteorchester, das mein Vater in den 60ern mit gründete und das mein Gegenüber seitdem unterstützt.
Ich spiele von ganz hinten, aus einer Art Wurmfortsatz. Wie in einer Trompete gelangen die Töne durch diesen Kanal in den Trichter, den großen Kirchensaal - ein besonderes akustisches Erlebnis eines in der Nähe geborgenen Klanges, der wie durch ein Tor in die Ferne austritt.
Ganz anders die Position auf der Seitenbank: hier entfalten sich die Töne mit einem 8sec-Hall geradlinig zwischen den mächtigen Säulen in die Höhe. Immer wieder unterbreche ich meine Linien, um den Klängen in diesem hellen und klaren Raum nachhören zu können: Klarheit und Größe sind die Qualitäten, die mir hier kommen. Ich bleibe ganz im klassischen Stil, auch wenn der Raum - glaube ich - für alles offen wäre.
Mein Zuhörer mag besonders die Tiefen des Cellos, weil sie den Raum so richtig füllen. Er findet, dass mein Cello ein besonderes Instrument ist. Ich deute ihm die Geschichte dieses Cellos an und verspreche, ihm das Buch darüber zu schicken. Er ist gespannt und will mir wiederum sein Buch mit selbst geschriebenen Fabeln schicken. Wieder so ein Geschenk einer Zufallsbegegnung!